Wissenswertes über Freimaurerei, Frauenlogen u.v.m.

Hier finden Sie Kurz-Infos, Essays und Vorträge zu verschiedenen freimaurerischen Themen. 

 

Gedanken zur Freimaurerei

 

"Trumpismus" - nein danke!

Auch im "post-faktischen" Zeitalter setzen wir auf Vernunft und Mäßigung

 S.G. - 2017

 

Ich bin als Freimaurerin fest davon überzeugt, dass wir gut daran tun, nicht jedes Empörungs-Angebot aufzunehmen und weiter zu befeuern. Wir müssen nicht jeden Unsinn glauben, nur weil er unser Weltbild oder unseren Ärger über etwas oder jemanden zu bestätigen scheint. Wir sollten nicht jeder Parole folgen, auch wenn sie noch so verlockend klingt. Immer gilt: Erst denken, zuhören, nachfragen, lesen, kritisch überlegen, sachlich Fakten prüfen und analysieren, unterschiedliche Folgerungen auf den Prüfstand stellen, es aushalten, dass es verschiedene Lösungsansätze und Ideen gibt und - ganz wichtig! - falsche Behauptungen als solche entlarven. Das ist heute wichtiger denn je. Wenn Feindbilder aufgebaut werden, Hass, Neid und Wut geschürt werden und darüber ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt werden soll, ist höchstes Misstrauen geboten. Sonst kann sich jede Lüge und Geschichtsklitterung, jeder Unfug und jede Irreführung ungehindert verfestigen - umso schneller durch permanente Wiederholung auf Facebook,Twitter und am Stammtisch. Feindbilder zu entwerfen, ist hübsch einfach, sehr bequem, mit keinerlei Mühe verbunden. Sich dagegen zu stellen, ist anstrengend. Für Aufklärung zu sorgen, wo Unwissen und Ressentiment herrschen, ist mühsam - aber es lohnt sich. Ein aufgeklärter Mensch sollte verantwortungsbewusst dafür sorgen, dass er selbst nicht instinkt- und emotionsgeladen, brutal und aggressiv in der Steinzeit landet - trotz modernster Technik. Ein gesellschaftlicher Diskurs ist mit Platt-Parolen und simplen Weltbildern wie "ich gut- du böse" oder "ich zuerst" nicht zu führen. Eine solche Haltung führt geradewegs in Spaltung und Krieg. Wir sollten klare und deutliche Worte finden, Brücken bauen, Situationen differenziert und von mehreren Seiten her betrachten und abwägen - und es nicht schweigend hinnehmen, wenn andere Menschen Feindseligkeiten und aggressive Pauschal-Plattitüden propagieren.

 

 

Perpendiculum oder: Alles im Lot?

 von S. G. -  2015

 

Unsere Loge trägt den Namen PERPENDICULUM, auf deutsch: Lot. Das Lot ist das Werkzeug, mit dem wir uns, unsere Motivation, unsere Beweggründe, unser Gewissen erforschen. Dabei stellen wir uns die Frage, ob wir - in der Hektik unserer Zeit - noch unsere eigene Mitte spüren und finden oder ob unser Leben, unser Denken und Handeln, wir selbst in eine Schieflage geraten sind...

Das Lot ist das Werkzeug, mit dem wir auch prüfen, ob unsere Loge sich in einer gesunden Balance befindet - zwischen Spannung und Entspannung, Ruhe und Bewegung, Arbeit und Erholung, Tradition und Fortschritt. Mit jeder neuen Schwester, die in unsere Gruppe kommt und ihr ein anderes Gewicht, eine neue Dynamik schenkt, bewegt sich das Pendel erneut, schwingt, findet eine neue Mitte, kommt zur Ruhe, um dann erneut zu schwingen und in Bewegung zu geraten, eine neue Mitte ganz woanders zu finden und dann erneut in Schwingung versetzt zu werden.

Das Lot, das Pendel, das Senkblei steht niemals still, will immer wieder neu ausgerichtet werden, damit unser großes Bauprojekt der Humanität weiter wächst und dabei nicht in Schieflage gerät. Ohne das Senkblei, das wir in Kombination mit anderen symbolischen Werkzeugen anwenden, würde der Bau schnell wieder einstürzen. Mit dem Senkblei halten wir die Balance und können eine Stabilität erreichen, die solide ist - aber nicht starr, sondern stets beweglich und flexibel.

 

 

Wie geht Diskurs oder: Wann ist ein Thema „durch“?

von S. G. - 2. Halbjahr 2014

 

„Boah, nee, nicht schon wieder!“ – Maria verzieht das Gesicht und macht eine abwehrende Handbewegung. Das Thema kennt sie. Und sie hasst es, weil es Unruhe bringt. Wir hatten im Freundeskreis darüber diskutiert,vor etwa einem Jahr. Nein, eine Diskussion war es eigentlich nicht. Es war ein kurzer und heftiger Schlagabtausch. Meinungen prallten aufeinander, ungebremst und wüst, bis jemand das Thema wechselte. Zur echten Auseinandersetzung, zum Austausch von Argumenten war es gar nicht erst gekommen. Auch ein Jahr später ist es uns nicht möglich, darüber zu sprechen. Ein ganz beliebter Satz zur Rechtfertigung dieser Abwehrhaltung ist: „Das Thema hatten wir schon.“ Oder:„Das Thema ist durch.“ Für den Fall, dass es sich um zentrale Themen handelt, die für eine Gruppe konstitutiv sind, kann das der Anfang vom Ende sein. Sprachlosigkeit und Konfliktvermeidung führen dann allzu schnell ins Unbehagenund ins Leere.

So ist es in vielen Gruppen, leider. Wenn es mal richtig gekracht hat, ducken sich die meisten weg. Dann laviert man akrobatisch um die Klippe herum, kehrt das Problem umständlich oder harsch unter den Teppich,schleppt aber dennoch allerlei Ärger und Ressentiments mit sich herum, was sich spürbar auf die allgemeine Stimmung auswirkt. Das passiert auch in Logen, auch unter Freimaurerinnen. Aber: Wir haben immerhin den Anspruch, in einen Diskurszu treten und sind bereit, es immer wieder zu versuchen. Wir halten den Diskurs – das gemeinsame Nachdenken über schwierige Fragen mit der Bereitschaft, die Sichtweise der jeweils anderen kennen- und verstehen zu lernen und offen zu sein gegenüber neuen Fakten und Informationen – für dringend notwendig. Und wir wissen, dass wir uns mitunter über einen längeren Zeitraum hinweg mit einem Thema beschäftigen müssen, gerade dann, wenn es so wichtig und so kontrovers ist. Denn gerade dann kann es geschehen, dass durch wiederholtes Betrachten, Beleuchten und Ausloten plötzlich Neues aufblitzt, eine andere Erkenntnis aufleuchtet,ein Missverständnis (Kommunikation ist schwierig!) sich aufklärt, jede von uns etwas dazulernt. Es reicht nicht, dass wir uns ein- oder zweimal gegenseitig Meinungsbrocken an den Kopf werfen und dann wütend auseinander gehen – jede mit ihrer Maximalforderung und dem festen Bewusstsein, nur sie habe Recht. Das wäre der Beginn eines Kleinkriegs, der ganz sicher nicht zu einem guten Miteinander beiträgt. Was wir brauchen und lernen sollten, ist die suchende und tastende,die achtsame und intensive, die kluge und mit Erfahrung und Wissen angereicherte Auseinandersetzung in gegenseitiger Ergänzung und gegenseitigem Respekt. Immer schaffen wir das nicht. Wir sind ja keine Heiligen. Aber wir sind auf dem Weg.

 

 

Das Prinzip Verantwortung - oder: Bei uns gibt es keine Karteileichen

- von S.G . - 1. Halbjahr 2014

 

Wer Freimaurerin werden möchte, sollte sich früh bewusst machen, dass Logen keine passiven Mitglieder haben - es sei denn, jemand ist ernstlich krank oder beruflich so extrem eingebunden, z.B. durch Auslandsaufenthalte und Dienstreisen, dass es phasenweise nicht möglich ist, an den Logentreffen und -arbeiten teilzunehmen. So unpopulär es in der heutigen hektischen Zeit auch sein mag: Wir erwarten von unseren Schwestern grundsätzlich, dass sie regelmäßig, also zwei- bis dreimal im Monat an den freimaurerischen Veranstaltungen teilnehmen und darüber hinaus auch bereit sind, kleine und größere Aufgaben zu übernehmen - auch wenn das Leben gerade anstrengend ist, auch wenn andere Veranstaltungen locken. Die Loge ist kein Ort der oberflächlichen Bespaßung und Unterhaltung. Keine Schwester sollte über einen längeren Zeitraum hinweg nur bei jedem zweiten oder dritten Treffen mal kurz vorbeihuschen und schnell wieder weg sein.

 

Freimaurerei kann nicht das zehnte von neun weiteren Hobbies sein. Das sagen wir nicht, weil wir kleinkarierte Prinzipienreiter sind, sondern weil die Erfahrung lehrt, dass wir uns als Gruppe nur weiter entwickeln können, wenn möglichst alle möglichst oft dabei sind. Wenn ständig Schwestern fehlen oder eilends wieder weg müssen, kann sich keine gute Gruppendynamik und keine schöne Arbeitsatmosphäre entwickeln. Dann bleiben wir einander fremd und es gibt kein gemeinsames Wachstum. Jede einzelne ist mitverantwortlich für die Qualität unserer freimaurerischen Arbeit und dafür, dass unsere Logen attraktiv bleiben und auch in Zukunft wachsen können.

 

Wem es grundsätzlich nicht möglich ist, sich an zwei bis drei Abenden im Monat (bei uns in Münster jeweils donnerstags) freimaurerischen Aktivitäten in der Loge zu widmen und seine Alltagspflichten und Freizeitaktivitäten entsprechend zu organisieren, wird in unserem Bund auf Dauer nicht glücklich werden. Das trifft übrigens genauso auch auf andere Gemeinschaften zu, auf Chöre oder Fußballvereine z.B., deren Mitglieder regelmäßig trainieren und üben müssen, um einen guten Klang und ein gutes Zusammenspiel zu erreichen.

 

 

Vom Streben nach Exzellenz - Oder: Freimaurerei ist die Entfaltung von Lebenskunst

 - von S.G. - 2. Halbjahr 2013

 

Freimaurerei wird auch Königliche Kunst genannt. Gemeint ist die Entfaltung einer klugen, tiefgründigen und nicht nur oberflächlich wirksamen Lebenskunst in einer turbulenten Welt, die geprägt ist von tiefgreifenden Veränderungen in Wertesystemen, Lebensstilen und Verhaltensmustern. Jede Form von Kunst strebt nach Exzellenz, und jede Form von Kunst setzt nicht nur Genie, sondern auch Können voraus - und bedarf deshalb der Übung.

 

Wir bemühen uns in unseren Logen darum, Umgangsformen und -stile zu entwickeln und zu praktizieren, die Mitmenschlichkeit, gegenseitiges Verständnis und Zusammenarbeit ermöglichen - so unterschiedlich wir auch sind. Voraussetzung dafür ist der verantwortliche Umgang der einzelnen mit sich selbst, verbunden mit Selbstliebe, Selbsterkenntnis und Selbstkritik.

Zum Streben nach Exzellenz gehört z.B., uns über die verschiedenen Rollen, die wir im Leben einnehmen  (als Mitmensch, als Freundin, als Mutter, als Arbeitnehmerin) bewusst zu werden und uns darin zu bewähren. Dazu gehört auch, in Notsituationen niemanden im Stich zu lassen. Zum Streben nach Exzellenz gehört ebenfalls, beim Ausloten von Spannungen und Konflikten gründlich nachzudenken und besonnen zu handeln. All das ist nicht selbstverständlich.

 

Zum Streben nach Exzellenz gehört last but not least, der ästhetischen Dimension des Lebens Raum zu geben und Schönheit wahrzunehmen und zu feiern: Die Schönheit der Natur und die Schönheit der Rede, die Schönheit von Dekorationen, die Schönheit von Bildung und Kultur, die Schönheit des Rituals - und unermüdlich an deren weiterer Vervollkommnung und Entfaltung zu arbeiten.

 

 

 

Das Symbol des  GBaW ist nicht Gott - Oder: Eine Freimaurerin muss nicht gläubig sein

 - von S.G. - 1. Halbjahr 2013

 

Die Mitglieder unseres Arbeitskreises (und unserer Logen) sind nicht alle religiös oder gläubig. Diejenigen, die gläubig sind, gehören unterschiedlichen Religionen und Konfessionen an. Und das ist gut so. Schließlich sind wir ein ethischer Bund und keine Religion. In unserem Kreis sind Agnostikerinnen, Atheistinnen und religiös glaubende Menschen gleichermaßen willkommen - und das obwohl in manchen freimaurerischen Schriften auch heutzutage noch behauptet wird, dass ein überzeugter Atheist dem Freimaurerbund nicht beitreten kann.

 

 "Ein die Werte des Freimaurerbundes verneinender Nihilismus, nicht ein mit humanistischem Denken und Handeln durchaus vereinbarer Atheismus oder Agnostizismus, ist das für einen ethischen Bund unabdingbare Ausschlusskriterium." (Helga Widmann, zit. nach Höhmann, Hans-Herrmann: Von Gott und der Religion. Zum Religionsdiskurs in der deutschen Freimaurerei, in: Höhmann, Hans-Hermann: Freimaurerei. Analysen, Überlegungen, Perspektiven, Temmen-Verlag, Bremen 2011, S. 189f.)

 

Das Symbol des GBaW - Großer Baumeister aller Welten - steht in der Freimaurerei des 21. Jahrhunderts nicht für das Gottesverständnis verschiedener Religionen, sondern für ein sinngebendes Prinzip, für eine über das eigene Ich hinausgehende Transzendenz, die nicht religiös verstanden werden muss, sondern auch immanent als Beziehung zum Du und Wir begriffen werden kann, als ein Über-Sich-Hinausgehen und Über-Sich-Hinausblicken innerhalb dieser Welt.

 

In früheren Zeiten, insbesondere im 18. Jahrhundert, war die Meinung verbreitet, dass ein Mensch ohne religiösen Glauben nicht zu Tugend und Moralität fähig ist. Aus diesem Grund war z.B. noch 1878 der Glaube an einen  nicht weiter bestimmten Gott in allen deutschen Logen Aufnahmebedingung. Die damals als unablösbar postulierte Verbindung zwischen der Fähigkeit zu moralischem Denken und Handeln und dem Glauben an Gott ist heute überholt: Es gibt keinen strikten Zusammenhang zwischen religiösem Glauben und moralischem Handeln. Das sagen selbst katholische Theologen, wie etwa Hans Küng: "Auch Atheisten und Agnostiker müssen folglich keineswegs Nihilisten, sondern können Humanisten und Moralisten sein: ernsthaft um Humanität und Moralität bemüht." (Küng, Hans: Existiert Gott? Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit, München 1983, S. 523)

 

Um es nochmals mit Hans-Hermann Höhmann zu formulieren:

Freimaurerei ist eine ethisch orientierte Vereinigung. Freimaurer und Freimaurerinnen haben keinen gemeinsamen Gottesbegriff und das Symbol des GBaW darf nicht verwechselt werden mit dem Gottesverständnis der Religionen. Es steht ganz allgemein für die Anerkennung eines sinngebenden Prinzips (s.o.), das auch die Menschenrechte oder eine Weltformel sein können. Folglich ist Freimaurerei offen für Menschen jedweden religiösen Glaubens und für Menschen, die sich zu keinem religiösen Glauben bekennen. In der Freimaurerei geht es um "menschliches Miteinander, ethische Lebensorientierung und emotionale Spiritualität durch Symbole und rituelle Handlungen", nicht um Gottesdienst und Gebet.

 

Es ist jeder Freimaurerin selbst überlassen, ob sie an Gott glaubt oder nicht und wie sie das Symbol des GBaW für sich persönlich mit Sinn füllt. Keine Freimaurerin darf einer anderen ihr jeweiliges Glaubens- oder Nichtglaubens-Konzept überstülpen. Das Symbol des GBaW ist in der Interpretation offen und steht nicht ausschließlich für einen wie auch immer gearteten Gott.

 

 

 Symbolik, Ritual, Instruktionen - Freimaurerei eignet sich nicht für jede

- von S.G. - 2. Halbjahr 2012

Es gibt Menschen, die mit Symbolik, symbolischen Handlungen und Ritualen nichts anfangen können. Manche stehen Ritualen und rituellem Erleben sogar skeptisch, misstrauisch und ablehnend gegenüber. Das ist völlig in Ordnung. Wir wollen niemand drängen, zwingen oder mit verbaler Gewalt überzeugen. Klar ist nur: Wer damit nichts anfangen kann oder will, wird in der Freimaurerei ganz sicher nicht glücklich. Symbolik und Ritual sind wichtige Elemente in der Freimaurerei, ebenso die intensive Auseinandersetzung mit deren Inhalten, der Bedeutungs- und Entstehungsgeschichte.

In den Logen finden deshalb regelmäßig, mindestens alle sechs Wochen, so genannte Instruktionen in allen Graden statt. Sie dienen dazu, im Austausch miteinander das Wissen um unsere Traditionen, Symbole und Rituale zu festigen und weiterzugeben und ein tieferes Verständnis und Gespür dafür zu erlangen. Dabei ist es hilfreich, gelegentlich Quellen, Aufsätze und Bücher darüber zu lesen oder an logenüber-greifenden Workshops teilzunehmen, doch zentral wichtig ist die Erweiterung des Wissens in der Gemeinschaft und der kontinierliche Wissenstransfer innerhalb der Loge auf die jeweils nächste Generation von Freimauerinnen. Es handelt sich dabei um wertvolles Erfahrungswissen, das sich nur mündlich vermitteln lässt, um neue, noch nicht schriftlich fixierte Anregungen, Fragestellungen und Ideen, die bewahrt und weiter verfolgt (oder gegebenenfalls wieder verworfen) und verschriftlicht werden sollen - aber immer in einem gemeinschaftlichen, gruppenorientierten Prozess, der über die Jahre hinweg lebendig und dynamisch bleibt.

Desweiteren zielt Freimaurerei auf die Wechselwirkung zwischen Individuum (erkenne dich selbst) und Gemeinschaft (schau um dich und schau über dich): Ein Mensch, der sich bewusst und achtsam mit sich selbst, seinen Stärken, Schwächen und Antrieben auseinandersetzt und daran arbeitet, kann auf eine konstruktive und für die Gruppe positive Art und Weise seinen Platz in einer Gemeinschaft finden und sich zum Wohle aller einbringen, nicht nur in der Loge, die gleichsam ein geschütztes Übungsfeld dafür ist, sondern in allen anderen Zusammenhängen wie etwa im Beruf, in der Familie und anderen zwischenmenschlichen Beziehungen. Indivdiduum und Gesellschaft bedingen einander, sind aufeinander bezogen und jede Gruppe ist so gut und so stark wie die einzelnen, die zu dieser Gruppe gehören. Auch darauf zielen unsere Rituale inhaltlich ab: Sie greifen menschliche und kulturelle Archetypen auf und setzen diese in Handlung, Performance und Erleben um. Im Laufe des Lebens als Freimaurerin wächst und reift das Verstehen und das Verständnis. Im Idealfall werden wir ganz langsam und allmählich zu dem Menschen, der wir sein sollten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Veränderung, Verbesserung, Vervollkomm-nung oder wie immer man es nennen möchte, lässt sich nicht nur und ausschließlich durch Freimaurerei erreichen. Es gibt viele verschiedene Wege dorthin und wir erheben keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Wir missionieren nicht, überreden nicht, zwingen nicht - wir laden nur ein. Jeder Mensch muss selbst herausfinden, welcher Weg für ihn persönlich der beste ist. Für manche - und das sagen wir ohne Groll und Zorn - sind tatsächlich andere Wege besser. Wir sind froh, dass es in unserer pluralistischen, freien Gesellschaft Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Und jede bewusst und reflektiert im Einklang von Verstand und Gefühl gefällte Entscheidung, ist richtig für diejenige, die sie trifft. Wie heißt es doch so schön: Viele Wege führen nach Rom. Und - pssst! - manchmal kommt ein Mensch, der nicht Freimaurer oder Freimaurerin ist, der Selbstvervollkommnung sogar näher als eine von uns. Auch dieser Mensch ist für uns ein Bruder oder eine Schwester im Geiste, auch wenn er oder sie kein Logen-Mitglied ist.

 

Von der Kunst, die Zeit sinnvoll einzuteilen

 - von S.G. - 1. Halbjahr 2012

Das Symbol für die kluge Einteilung der Zeit ist in der Freimaurerei der 24-zöllige Maßstab. Er lädt uns ein, mal darüber nachzudenken, wie und womit wir unsere Tage verbringen. Sind wir  so pflichtbewusst, dass wir gar keine Freizeit und Muße mehr haben? Oder sind wir so bequem und Spaß-orientiert, dass wir unsere Pflichten vernachlässigen? Haben wir Zeit oder hat die Zeit uns? Teilen wir unsere Zeit außerhalb der Berufsarbeit selbst ein? Gehen wir bewusst damit um oder lassen wir uns ständig von anderen vorschreiben, wie wir unsere Zeit verbringen: Von Freunden, von Vorgesetzten, von Verwandten... ? Bis wir nur noch hetzen, rennen, hasten, immer unzufriedener und gereizter werden und uns dabei selbst verlieren?

Auch hier geht es nicht um "richtig" oder "falsch". Es gibt keine "freimaurerischen" Vorschriften. Jede Freimaurerin muss selbst entscheiden, wie sie ihr Alltagsleben gestaltet und ihre Lebenszeit einteilt. Es ist nämlich individuell sehr verschieden, wie viel Arbeitspensum ein Mensch schafft und wieviel Freizeit-Aktivitäten ihm gut tun, wie viel Schlaf er braucht, wie viel Sport und wie viel Entspannung.  In unterschiedlichen Lebensphasen und Situationen verändern sich die Bedürfnisse und die persönliche Belastbarkeit. Für sich selbst herauszufinden, welche Zeiteinteilung klug ist, gut tut, zum Ziel führt - das ist ein wichtiger Schritt auf dem Lebensweg.

Eine Regel gibt es in der Freimaurerei aber doch: Wer Freimaurerin werden möchte, sollte sich vor der Bitte um Aufnahme sehr genau damit auseinandersetzen, wie es um die eigene Zeit bestellt ist. Als Schwester sollte sie nämlich an den Logen-Veranstaltungen teilnehmen. Denn Freimaurerei funktioniert nicht allein im Selbststudium, sondern auch und vor allem in der Gemeinschaft. Es ist wie beim Mannschaftssport oder in einer Theatergruppe: Wer mitmachen will, der muss regelmäßig zum Training kommen, an den Spielen und auch an den Feiern teilnehmen. Wer ständig fehlt, dann im Spiel Fehler macht und patzt, womöglich Streit anzettelt, weil er Kritik nicht ertragen kann -  der zieht den ganzen Verein runter. 

Natürlich gibt es Ausnahmen: Wer Dienstreisen antreten oder sich auf Prüfungen vorbereiten muss, wer Angehörige pflegt oder selbst krank ist, hat keine andere Wahl als eine Zeitlang zu fehlen. Das wird von der Schwesternschaft respektiert. Wer aber ständig zwischen vielerlei Freizeitaktionen, -zig anderen Hobbies und weiteren freiwillig auferlegten Verpflichtungen und Terminen hin- und hergerissen ist und deshalb die Loge vernachlässigt, ist kein verlässliches Glied in der Kette der Schwesternschaft. Freimaurerei braucht Zeit, Ernsthaftigkeit, Kontinuität und Verlässlichkeit. Wer sich nicht grundsätzlich darauf einlassen kann, zwei bis dreimal im Monat in die Loge zu kommen, sollte davon absehen, Freimaurerin zu werden.